Konfliktbewältigung durch ein besseres Verständnis unseres inneren Konflikts

Der Umgang mit Konflikten gehört zu unserem Alltag. Er kann aber problematisch werden, wenn zusätzlich zu den persönlichen Herausforderungen Führungsqualitäten gefordert werden, um Situationen zu bewältigen, die wir nicht selbst geschaffen haben. Es gibt eine große Auswahl von unterstützenden Ansätzen und Techniken, um offensichtliche, also 'sichtbare' Konflikte zu lösen (z.B. das Thomas Kilmann Conflict Mode Instrument). Nachhaltige Strategien zur Konfliktlösung erfordern jedoch ein Bewusstsein dafür, dass es eine innere und äußere Welt gibt, dass auf beiden Seiten 'Konflikte' existieren können und zwischen diesen ein Zusammenhang besteht.

Die Projektion unseres inneren Konflikts als eine Form der Selbstverteidigung

Wir Menschen neigen dazu, die Verantwortung für unsere eigenen unliebsamen Einstellungen, Eigenschaften, Gefühle und Gedanken anderen zuzuschreiben, vor allem, wenn wir uns in herausfordernden Situationen befinden. Die Tendenz, unsere mächtigen, aggressiven und kämpferischen Energien zu projizieren kommt vor allem dann zum Vorschein, wenn wir einen Kontrollverlust befürchten. Wenn wir anderen gegenüber aggressiv sind, projizieren wir unsere innere Haltung auf die andere Partei, was zu der Überzeugung führt, dass diese uns gegenüber negativ eingestellt ist, obwohl es in Wirklichkeit keinen Anhaltspunkt dafür gibt. Diese Projektion unserer eigenen Aggressionen, welche wir dem anderen zuschreiben, löst beim Gegenüber jedoch oft Streit- und Angriffsreaktionen aus, welche dann wiederum Feindseligkeiten unsererseits provozieren und aggressive, negative Emotionen zur Folge haben (Teufelskreis). Auf diese Weise bringen wir unsere inneren Konflikte in die Außenwelt, im ungünstigsten Fall werden sie zu einem alltäglichen, sich wiederholenden Muster unseres Lebens. Die ausschließliche Anwendung von Strategien zur 'äußeren Konfliktbewältigung' wird vielleicht für diese eine Situation eine vorübergehende Erholung bringen, aber nicht nachhaltig sein, weil sie in Wirklichkeit nur eine Hälfte des Problems angeht.

Der innere Konflikt

Der innere Konflikt ist eine psychologische Folge der Widersprüche zwischen verschiedenen Teilpersönlichkeiten und findet innerhalb unserer Person statt. Diese inneren Themen entstehen, wenn verschiedene Teile unserer Persönlichkeit miteinander 'streiten'. Wenn dies unkontrolliert stattfindet und innerlich nicht geführt wird, werden die dominierenden Eigenschaften die Herrschaft übernehmen, und unser Spektrum der Wahlmöglichkeiten für unser Verhalten sehr einschränken.

Bei Personen in Führungspositionen zeigen sich diese inneren Konflikte typischerweise als Emotionen von Irritation bis zu extremer Wut, können sich aber auch als Eifersucht, Manipulation, Mikromanagement usw. manifestieren. Es gibt Konzepte, welche diese inneren Konflikte in Kategorien oder acht Typen unterteilen. Unserer Ansicht nach kann es hingegen so viele verschiedene innere Konflikte geben, wie es gegensätzliche Paare oder Gruppen von Teilpersönlichkeiten gibt, je nach deren Emotionen, Gedanken, Überzeugungen, Einstellungen und Reifegraden.

Ein Beispiel für einen inneren Konflikt in der Persönlichkeit eines CEOs wäre, wenn dieser in seinen früheren Lebensjahren in eine adaptive oder untergeordnete Rolle gezwungen wurde (beispielsweise aufgrund eines dominanten Elternteils), später im Leben aber damit konfrontiert wird, Verantwortung zu übernehmen und schwierige Entscheidungen zu treffen. Diese widersprüchlichen Erwartungen im Inneren können zu erheblichem Stress führen.

Oder wenn ein sehr ergebnisorientierter Senior Manager Schwierigkeiten hat, mit menschenorientierten Teammitgliedern umzugehen, die mehr die Teamatmosphäre wertschätzen als das Erreichen von Zielen. Oft spiegelt ein solcher Konflikt den inneren Konflikt der Führungskraft, zwischen dem Fokus auf Zielerreichung und dem verborgenen Wunsch nach mehr Harmonie und Ruhe.

Ein innerer Konflikt führt zu einem lebenslangen Kampf, der das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit einer Person erheblich beeinträchtigen kann. Er kann viel Stress und innere Spannung verursachen, da die Betroffenen in den meisten Fällen im Umgang mit dieser Herausforderung allein gelassen werden. Wird dieser psychische Konflikt sehr belastend, kann das zu einer Energie verschlingenden Abwärtsspirale und letztendlich zu Verzweiflung, Isolation oder Depression führen. Da, wie vorher erläutert, innere Konflikte häufig auf andere projiziert werden, kann diese Person den starken Glauben entwickeln, dass die Umstände oder andere Menschen der Grund für ihre Unzufriedenheit und ihr Versagen sind.

Für viele Führungskräfte ist es naheliegend, ihre innere Anspannung und ihren psychischen Schmerz durch eine 'Selbstmedikation' mit Suchtmitteln zu unterdrücken und zu verdecken oder mit zwanghaften Verhaltensweisen von ihren Schuldgefühlen und ihren Schmerzen abzulenken. In der Tat können Alkohol, Rauchen oder Zwangssport bei manchen Menschen in gewissem Maße dazu beitragen, Stress vorübergehend abzubauen. Diese Kompensationsmechanismen stellen jedoch definitiv keine nachhaltige Option zur Behandlung der Ursachen ungelöster innerer Konflikte dar, ganz im Gegenteil. Das Ignorieren oder Unterdrücken des inneren Konflikts sind vielmehr kontraproduktiv, da sich die zugrunde liegende Dynamik dadurch noch verstärkt. Früher oder später wird der innere Konflikt wieder auftauchen und der Einsatz von Medikamenten, Alkohol oder Drogen eskalieren, was schließlich zu Gesundheits- und Reputationsschäden führen kann.. Hier ist ein Hinweis auf die negativen Auswirkungen von Alkohol.

Da Kriege im Geiste der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.”

UNESCO Verfassung

Der innere Konflikt als Fokuspunkt

Eine erfolgreiche Strategie, um äußere Konflikte gut zu lösen, erfordert, dass wir uns vorher mit unseren eigenen inneren Konflikten auseinandersetzen. Die richtige Konfliktlösungsstrategie besteht darin, sich unseres inneren Konflikts bewusst zu werden, seine Dynamik zu verstehen, diese persönlichen inneren Kämpfe zu lösen und dadurch einen Teil unserer inneren Führung zurückzugewinnen.

Es ist es notwendig, zu erkennen, dass Menschen, die uns anfeinden, kritisieren und anklagen, uns oft nicht persönlich angreifen wollen. Sie projizieren lediglich ihre Aggressionen auf uns, die sie aus anderen Gründen angestaut haben, und entladen ihre Last der Feindseligkeit auf diese Weise, weil sie nicht in der Lage sind, die entsprechenden inneren Konflikte zu lösen. Daher sollten solche Vorfälle in Ruhe betrachtet und nicht persönlich genommen werden.

Nimm nichts persönlich.”

Don Miguel Ruiz

Laura Huxley beschreibt dies treffend im ersten Kapitel ihres Buches „Du bist nicht das Ziel“. Sie sagt: „Wenn dein Mann jammert, deine Frau dir hinterherläuft, dein Chef gereizt ist, dein Partner schwierig wird, deine Kinder rebellisch sind – dann hör auf! Halten Sie einen Moment inne und Sie werden feststellen, dass ihre Gereiztheit, ihre Irrationalität, ihre Kälte, also ihr unangenehmes und störendes Verhalten nicht wirklich an Sie gerichtet sind. ... In den meisten Fällen sind Sie nicht das Ziel. Sie waren einfach da.”

"Was die Leute von dir denken, geht dich nichts an."

Deepak Chopra

Dies wird nicht für jeden von uns so einfach sein, da insbesondere unsere kämpferischen Teilpersönlichkeiten sich durch die auf uns projizierte feindselige Energie provoziert fühlen werden. Deshalb besteht der erste Schritt darin, sich eines inneren Konflikts bewusst zu werden und ein tieferes Verständnis der psychologischen Kräfte zu erlangen, die den inneren Kampf bestimmen.

Wut ist eine Strafe, die wir uns selbst geben, für einen Fehler eines anderen.“

unbekannt

Die richtige Art, unseren verborgenen Konflikten Aufmerksamkeit zu verleihen und Verständnis entgegenzubringen, besteht darin, die Elemente des Konflikts zu identifizieren und sichtbar zu machen. Bei Inner Leadership arbeiten wir oft mit Symbolen, um die verschiedenen individuellen Elemente darzustellen. Dies kann uns dabei helfen, die verborgene Dynamik aufzudecken und die bestehenden psychologischen Kräfte und Emotionen, mit welchen wir zu kämpfen haben, besser zu verstehen.

Das Potenzial innerer Konflikte

Innere Konflikte bergen ein großes Potenzial für unsere persönliche Entwicklung. Wenn wir bereit sind, uns ihnen zu stellen und einen effektiven Umgang mit ihnen zu finden, bieten sie uns Chancen, voranzukommen. Im Allgemeinen laden Konflikte uns dazu ein, Probleme genauer zu untersuchen, und sie fordern uns heraus, kreative Antworten und Lösungen zu entwickeln. Genauso zeigen uns innere Konflikte Integrationspotenziale auf, um unsere inneren Ressourcen zu erweitern und weiterzuentwickeln, um ein würdigeres und lebenswerteres Leben zu führen.

Nichts kann sich wirklich ändern, ohne dass wir uns unserer inneren Dynamik bewusst werden und eine innere Harmonie schaffen. Die Aktivierung unserer inneren Führung ermöglicht es uns, die psychischen Kräfte zu ordnen und zu lenken und Konflikte mit Menschen in der Außenwelt zu vermeiden oder zu beseitigen.

Die Bewältigung von Konflikten ist eine Fähigkeit, die wir alle haben, die aktiviert werden will und den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmacht. Führungskräfte sollten beachten, dass diese Aufgabe in ihrer persönlichen Verantwortung und nicht an andere delegiert werden kann.

Ruiz, D.M., Mills, J., 1952, The Four Agreements: A Practical Guide to Personal Freedom, Toltec Wisdom.

L. A.Huxley, L.A., 1984, You are not the target, 1984, Avon books.

Assagioli, R., 1993, Psychosynthesis: A Manual of Principles and Techniques, HarperCollins Publishers.